Zwei ex-Terroristen und der kalte Frieden
Am Karfreitag des Jahres 1998 wurde in Belfast ein Friedensabkommen geschlossen – nach 30 Jahren eines blutigen Bürgerkriegs ein hoffnungsvoller Schritt. Seitdem herrscht in Nordirland ein »kalter Frieden«, der auf dem Papier steht, aber noch lange nicht in den Köpfen und Herzen der Nordiren angekommen ist.
Wir portraitieren Peter McGuire, einen protestantischer ex-Paramilitär, und Joe Doherty, ein ehemaliges Mitglied der Irisch Republikanischen Armee – beide heute engagierte Jugendarbeiter und von der Sinnlosigkeit des bewaffneten Kampfes überzeugt.

Von Michael Gleich
Joe Doherty und Peter McGuire haben sich vermutlich nie getroffen. Vermutlich war das auch besser so. Das Treffen hätte tödlich ausgehen können.

Joe schmeißt heute abend den Jugendclub von New Lodge, einem katholischen Viertel von Belfast. Gelassen erträgt er einen Trubel, wie ihn nur Teenager entfachen können. Das Gebrüll aus der Turnhalle, wo die Jungs kicken. Das Disco-Dröhnen im Foyer, wo die Mädchen abhängen. Mittendrin der 47jährige, gelassen, aber auch ein wenig befremdet. Dauerklingelnde Handys, grünliche Tütenchips als Abendessen, gelgepolsterte Turnschuhe – exotische Dinge haben die Straßen von New Lodge erobert, während all der Jahre, die Joe im Gefängnis gesessen hat.

Eine weitere neue Merkwürdigkeit ist der Frieden. Damit hat Joe keine Erfahrung. Er kennt den Kampf und den Knast. Aber Frieden? Daran muss er sich erst noch gewöhnen.

Er war so alt wie die Kids im Jugendclub, da spionierte er bereits für die Irisch Republikanische Armee. Den IRA-Leuten meldete er Bewegungen der britischen Soldaten, der verhassten Besatzer. Tränengasschwaden schickten sie in seine Straße, mitten in der Nacht drangen sie ins Haus ein und schulgen seine Eltern. Joe war stolz, dass mit seinen Informationen Attentate vorbereitet wurden. "Wir glaubten, wir könnten auf diese Weise die Briten vertreiben." Mit 17 wurde er Soldat. Sagte er. Terrorist, sagten die Briten. Als ihn wenig später eine Polizeipatrouille mit Sprengstoff im Wagen erwischte, wurde Joe zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe kam er frei: ein Mittzwanziger, randvoll von Rachegefühlen, eine lebende Bombe. Er begann, den ersten Mordanschlag zu planen.

20 Jahre später ringt Joseph Doherty um den richtigen Kurs. Eine Transitexistenz, irgendwo auf dem Weg vom alten Nordirland ins neue, vom Untergrundkämpfer zum Sozialarbeiter. Ein Weg, den auf protestantischer Seite auch Peter McGuire gegangen ist...
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Fotos:
Uli Reinhardt/zeitenspiegel
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