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Israelis und Pal�stinenser erz�hlen Geschichte(n) |
Junge Pal�stinenser und Israelis haben eine v�llig verschiedene Vorstellung von der eigenen Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Der Politologe Mattias Ries hilft ihnen, sich dieser unterschiedlichen Identit�t bewusst zu werden � als Ausgangspunkt f�r einen Dialog zwischen selbst-bewussten Menschen.
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Frage: Was macht eine Friedensfachkraft? Das ist ja ein Begriff, den man allgemein nicht kennt.
Ries: Das sind Leute, die ausgebildet worden sind im Bereich der Mediation und in Konfliktregionen arbeiten. Sie haben quasi einen Instrumentenkoffer dabei, mit Methoden der Konfliktbearbeitung, der gewaltfreien Deeskalation, der gewaltfreien Kommunikation, des aktiven Zuh�rens, der Methoden zur St�rkung von gewaltfreien Strukturen. Sie unterst�tzen jene Menschen und Gruppen, die weiterhin der �berzeugung sind, dass der Konflikt ohne gewaltt�tige Mittel gel�st werden kann. Das Schlagwort ist: Aufbau der Zivilgesellschaft im Bereich der Konfliktvor- und nachsorge, aber nicht im Bereich der Konfliktintervention.
Mit welchen Projekten versuchst Du hier in diesem israelisch-pal�stinensischen Spannungsfeld zu arbeiten?
Mein Hauptprojekt nennt sich �Entscheidung f�r Geschichte�. Dabei geht es darum, Israelis und Pal�stinenser separat zu Seminaren einzuladen, in denen das jeweils eigene Geschichtsbild nachvollziehen, zeichnen nach au�en darstellen. Die beiden Seiten werden sich klar �ber das eigene Narrativ, die eigenen Mythen, die unterschiedlichen Identit�ten, die in den jeweiligen Gesellschaften. Als Medium, in dem diese so gewonnenen Narrrative dargestellt werden, nutzen wir das Internet.
Wir machen Eintages-Seminarr mit jeweils einer Gruppe von acht bis zehn Personen, entweder Israelis oder Pal�stinenser. Sie treffen gemeinsam eine Entscheidung da�ber, anhand welcher 15 Bilder � Fotos, Symbole oder auch Gem�lde - sie den Verlauf des 20. Jahrhunderts beschreiben m�chten.
Welche Bilder sind das?
Vom Fall der Berliner Mauer, die Shoah, z.B. der Eingang von Ausschwitz mit dem Spruch �Arbeit macht frei�, Portraits von kommen regelm��ig vor.
Wenn die 15 Bilder ausgesucht sind: Wie verbindet man diese Bilder zu einer einheitlichen Geschichtsschreibung?
Daf�r treffen wir uns f�r ein zweites Wochenende. Meine Aufgabe ist es, die Bilder aus Archiven zusammenzusuchen. Die Gruppe erkl�rt dann, warum sie was ausgesucht hat. Ein Multimediak�nsler macht ihr Vorschl�ge, wie man das Narrativ visuell umsetzen k�nnte, ob als Film, als Theaterst�ck, als Collage. Wichtig ist, dass die Gruppe einen Weg findet, ihre Geschichtserz�hlung sp�ter im Internet zu pr�sentieren.
Mit welchen Gruppen arbeitest du?
Vornehmlich mit parteipolitisch organisierten Jugendgruppen, z.B. die Young Labour, die zur israelischen Arbeitspartei geh�rt, oder die Jugendbewegung der pal�stinensischen Fatah, oder auch mit Young Meretz (von der Meretz-Partei).
Welche Unterschiede gibt es zwischen den israelischen und pal�stinensischen Geschichtserz�hlungen?
Es ist interessant, dass du nach Unterschieden fragst � mir gehts mehr um die Gemeinsamkeiten: Welches Bild haben sowohl die Israelis als auch die Pal�stinenser ausgesucht. Denn in der Konfliktbearbeitung geht darum, eine gemeinsame Basis zu schaffen zwischen den Parteien, so klein sie auch sein mag. Ich will sie einzuladen, auch andere Perspektiven einzunehmen.
Was ist denn der kleinste gemeinsame Nenner zwischen den Gruppen?
Viele der Gruppen stellen sich als Opfer dar, indem die Pal�stinenser Bilder von Massakern und der Vertreibung von 1948 aussuchen, oder indem die Israelis das Bild des kleinen Jungen im Warschauer Ghetto w�hlen, der sich mit erhobenen H�nden ergibt.
Ist das nicht ein eher banales Ergebnis: Was Israelis stolz als Tag ihrer Nationalgr�ndung feiern, empfinden Pal�stinenser als nationale Schmach?
Wir backen hier sicher kleine Br�tchen. Aber es ist keineswegs banal, die beiden Konfliktparteien darin zu unterst�tzen, sich ihrer Mythen bewusst zu werden. Und im zweiten Schritt zu gucken, was sind die Narrative der anderen? Das interessante an dem Konzept ist ja, dass alle Gruppen parallel am gleichen Konzept arbeiten und die Ergebnisse ausgetauscht werden.
Welche Ansatzpunkte ergeben sich aus diesen unterschiedlichen Geschichtserz�hlungen f�r den Friedensprofi Matthias Ries?
Sie k�nnen helfen, langfristig Sprachlosigkeiten zu �berwinden. Frage ist doch, wie k�nnen wir in Phasen der Eskalation, wie wir sie jetzt gerade erleben, Menschen ermutigen, ihre Scheuklappen abzulegen, sich in die Lage der �anderen Seite� hineinzuversetzen, deren Bef�rfnisse kennenzulernen. Und kritische Fragen zu stellen: Werden die Mythen, die in unseren K�pfen herumschwirren, nicht vielleicht politisch missbraucht?
Warum erz�hlen sich Israelis und Pal�stinenser ihre Geschichte nicht im direkten Gespr�ch?
Das w�re wunderbar. Ist aber unter den Vorzeichen der Eskalation utopisch. Auch deshalb, weil sich die pal�stinensische Seite derzeit in diesem Gespr�ch nicht gleichwertig f�hlen w�rde. Ich denke langfristig. Heute bereiten wir den Boden f�r sp�tere, direkte Begegnungen.
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Oben links:
Der promovierte Politologe Matthias Ries arbeitetete bis vor kurzem als "Friedensfachkraft" in Jerusalem
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Oben rechts:
Stichworte f�r eine eigene Geschichtserz�hlung werden zusammen getragen. |
Auf Klick vergr��erbar |
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